27.04.2023, 12:45
Vorneweg: dieser längere Post ist nur für diejenigen mit einem größeren Interesse am Thema Bremse.
Zum Thema Hotspots habe ich im Netz ein Zitat aus der wissenschaftlichen Automobiltechnischen Zeitschrift ATZ 100 (1998) 6 gefunden:
"Bei der Umsetzung der kinetischen Energie in Wärmeenergie während des Bremsvorganges kommt es unter bestimmten Randbedingungen zu einer in Umfangsrichtung ungleichförmigen Temperaturverteilung auf der Bremsscheiben- Oberfläche, es entstehen Wärmeflecken, die so genannten Hotspots. Diese Hotspots regen das Brems- und Lenksystem zu Schwingungen an, die der Fahrer als Dröhnen in der Fahrgastzelle, Bremspedalpulsieren und/oder Lenkrad-Drehschwingungen wahrnimmt.
Ausgehend von einer zu irgendeinem Zeitpunkt auftretenden lokalen Verformung der Reibringoberfläche normal zur Oberfläche (durch Rauhigkeit oder einer anderen Störung hervorgerufen), wird sich der örtliche Druck in der Kontaktfläche aufgrund der Elastizität des Belages ändern. Somit wird sich dementsprechend auch die örtliche Reibleistung und der in die Scheibe eingebrachte Wärmestrom örtlich ändern. Dieses führt wiederum dazu, dass sich ein örtlich veränderliches Temperaturfeld und damit aufgrund der Wärmedehnung eine ungleichförmige Verformung der Reibringoberfläche ausbildet.
Sind die „dämpfenden“ Mechanismen (Wärmeleitung, Wärmespeicherung, etc.) in dem System groß genug, so werden die eingebrachten Störungen mit der Zeit abklingen und es kommt zu der gleichförmigen Erwärmung der Bremsscheibe. Im anderen Fall werden die Störungen nicht abklingen, und das System geht in eine benachbarte Gleichgewichtslage über und es bilden sich Hotspots.
Wird die Bremsscheibe an einer Stelle mit einem Temperatursprung beaufschlagt, so verformt sie sich an dieser Stelle erwartungsgemäß und bildet einen „Hügel“. Zusätzlich ist zu beobachten, dass sich auf der Gegenseite zwei Hügel bilden, die einen systembedingten (Geometrie der Scheibe, Topfanbindung, elastische Werkstoffeigenschaften der Scheibe) Abstand zu einander haben. Geht man davon aus, dass sich aufgrund der oben genannten Hypothese auf den Hügeln der Gegenseite wieder erhöhte Temperaturen ergeben werden, so setzt sich diese Störung weiter fort, und es bilden sich fortwährend weitere Hügel."
Das schon angesprochene "Einbremsen" der Bremsbeläge dient in erster Linie dazu, durch mehrmaliges "moderates" Erhitzen der neuen Beläge den Belag weitestgehend auszugasen und zu stabilisieren. Ohne diese Prozedur kann dies bei heftigem Bremsen zu einem Verglasen des Belages führen. Dieser Vorgang ist dann nicht umkehrbar und zerstört von daher den Belag.
Das Ausgasen der Beläge tritt auch bei hohen Temperaturen auf und ist als sogenanntes Fading durch ein Nachlassen der Bremswirkung gekennzeichnet. Durch das Ausgasen wird der Kontakt zwischen Belag und Scheibe gestört. Als Abhilfe dienen hier Nuten oder auch Löcher in den Scheiben, die die im Reibkontakt entstehenden Gase abführen.
Beim Einbremsen lagert sich auch Belagmaterial auf der Oberfläche der Scheibe an. Dadurch wird die Bremswirkung des Reibsystems insgesamt verbessert.
Ungleichmäßige Anlagerungen führen zunächst einmal "nur" zu einem Rubbeln und Schlagen der Bremse.
Abhilfe kann hier wie schon angesprochen ein erneutes Einbremsen sein. Und auch für die hier angesprochenen Hotspots kann das eine von mehreren anderen Ursachen sein.
Die Hotspots bezeichnen eine Gefügeveränderung des Reibrings aufgrund einer lokalen Überhitzung. Sind diese entstanden, so ist der Reibring unbrauchbar geworden und muss ersetzt werden.
Ebenso wie der Bremsbelag haben auch Material und Vergütung des Reibrings darauf einen Einfluss.
Mit Blick auf die PowerStop Beläge dürfte das Problem darin liegen, dass es sich dabei im Keramik-Beläge handelt. Keramik hat eine sehr schlechte Wärmeleitfähigkeit und führt deshalb zu höheren Temperaturen im Kontakt Reibring - Belag. Deshalb werden mitunter solchen Belägen zur Verbesserung der Wärmeleitfähigkeit auch metallische Komponenten beigemischt. Offensichtlich mit mehr oder weniger Erfolg. Von daher bin ich persönlich auch an Erfahrungen zum Hawk Performance Ceramic Belag interessiert.
Im Vergleich zu Keramik-Belägen handelt es sich bei Sport-Belägen um semi-metallische bzw. bei Motorsport-Belägen meist um gesinterte (metallische) Beläge, die beide eine hohe Wärmeleitfähigkeit aufweisen und vor allem auch eine hohe Temperaturbelastung ertragen. Dafür quietschen Sie aber gerne und entwickeln auch mehr Bremsstaub.
Bei Serienfahrzeugen werden meist organische Beläge verwendet, die eine eher geringe Temperaturbelastung zulassen und auch vergleichsweise viel Bremsstaub entwickeln.
Zusammengefasst würde ich festhalten, dass Keramik-Beläge aufgrund der geringen Staubentwicklung zwar für den Normalfahrer eine interessante Alternative sein können, für hohe Belastungen, wie insbesondere auf dem Track, aber nicht geeignet sind. Nicht zuletzt schließt Ate für die eigenen Ceramic-Beläge eine Eignung für den Track aus.
Generell kann man auch festhalten, dass selbst Sport- und Motorsport-Beläge auf dem Track meist trotzdem noch in Verbindung mit einer separaten Bremsenkühlung gefahren werden. Sicher nicht ohne Grund. Beim Bremsen dreht sich halt alles um eine ertragbare Temperaturbelastung von Reibring und Belag.
Das subjektive Bremsgefühl hilft hier sicherlich nicht weiter. Was der eine als "harte" Bremsung empfindet, wird ein anderer als bestenfalls "mittlere" Bremsung verstehen. Objektiv liegt eine harte Bremsung dann vor, wenn man in das ABS bremst. Das wird im normalen Straßenverkehr aber wohl die Ausnahme sein und bleiben.
Die Kombination Girodisc Reibring mit Pagid RSL 29 scheint hier wohl das "sorglos" Paket zu sein. Leider nicht billig und wohl auch ohne Eintragung. Von daher bleibt die Suche nach funktionierenden Alternativen für den speziellen (eigenen) Anwendungsfall interessant.
Gruß
Stefan
Zum Thema Hotspots habe ich im Netz ein Zitat aus der wissenschaftlichen Automobiltechnischen Zeitschrift ATZ 100 (1998) 6 gefunden:
"Bei der Umsetzung der kinetischen Energie in Wärmeenergie während des Bremsvorganges kommt es unter bestimmten Randbedingungen zu einer in Umfangsrichtung ungleichförmigen Temperaturverteilung auf der Bremsscheiben- Oberfläche, es entstehen Wärmeflecken, die so genannten Hotspots. Diese Hotspots regen das Brems- und Lenksystem zu Schwingungen an, die der Fahrer als Dröhnen in der Fahrgastzelle, Bremspedalpulsieren und/oder Lenkrad-Drehschwingungen wahrnimmt.
Ausgehend von einer zu irgendeinem Zeitpunkt auftretenden lokalen Verformung der Reibringoberfläche normal zur Oberfläche (durch Rauhigkeit oder einer anderen Störung hervorgerufen), wird sich der örtliche Druck in der Kontaktfläche aufgrund der Elastizität des Belages ändern. Somit wird sich dementsprechend auch die örtliche Reibleistung und der in die Scheibe eingebrachte Wärmestrom örtlich ändern. Dieses führt wiederum dazu, dass sich ein örtlich veränderliches Temperaturfeld und damit aufgrund der Wärmedehnung eine ungleichförmige Verformung der Reibringoberfläche ausbildet.
Sind die „dämpfenden“ Mechanismen (Wärmeleitung, Wärmespeicherung, etc.) in dem System groß genug, so werden die eingebrachten Störungen mit der Zeit abklingen und es kommt zu der gleichförmigen Erwärmung der Bremsscheibe. Im anderen Fall werden die Störungen nicht abklingen, und das System geht in eine benachbarte Gleichgewichtslage über und es bilden sich Hotspots.
Wird die Bremsscheibe an einer Stelle mit einem Temperatursprung beaufschlagt, so verformt sie sich an dieser Stelle erwartungsgemäß und bildet einen „Hügel“. Zusätzlich ist zu beobachten, dass sich auf der Gegenseite zwei Hügel bilden, die einen systembedingten (Geometrie der Scheibe, Topfanbindung, elastische Werkstoffeigenschaften der Scheibe) Abstand zu einander haben. Geht man davon aus, dass sich aufgrund der oben genannten Hypothese auf den Hügeln der Gegenseite wieder erhöhte Temperaturen ergeben werden, so setzt sich diese Störung weiter fort, und es bilden sich fortwährend weitere Hügel."
Das schon angesprochene "Einbremsen" der Bremsbeläge dient in erster Linie dazu, durch mehrmaliges "moderates" Erhitzen der neuen Beläge den Belag weitestgehend auszugasen und zu stabilisieren. Ohne diese Prozedur kann dies bei heftigem Bremsen zu einem Verglasen des Belages führen. Dieser Vorgang ist dann nicht umkehrbar und zerstört von daher den Belag.
Das Ausgasen der Beläge tritt auch bei hohen Temperaturen auf und ist als sogenanntes Fading durch ein Nachlassen der Bremswirkung gekennzeichnet. Durch das Ausgasen wird der Kontakt zwischen Belag und Scheibe gestört. Als Abhilfe dienen hier Nuten oder auch Löcher in den Scheiben, die die im Reibkontakt entstehenden Gase abführen.
Beim Einbremsen lagert sich auch Belagmaterial auf der Oberfläche der Scheibe an. Dadurch wird die Bremswirkung des Reibsystems insgesamt verbessert.
Ungleichmäßige Anlagerungen führen zunächst einmal "nur" zu einem Rubbeln und Schlagen der Bremse.
Abhilfe kann hier wie schon angesprochen ein erneutes Einbremsen sein. Und auch für die hier angesprochenen Hotspots kann das eine von mehreren anderen Ursachen sein.
Die Hotspots bezeichnen eine Gefügeveränderung des Reibrings aufgrund einer lokalen Überhitzung. Sind diese entstanden, so ist der Reibring unbrauchbar geworden und muss ersetzt werden.
Ebenso wie der Bremsbelag haben auch Material und Vergütung des Reibrings darauf einen Einfluss.
Mit Blick auf die PowerStop Beläge dürfte das Problem darin liegen, dass es sich dabei im Keramik-Beläge handelt. Keramik hat eine sehr schlechte Wärmeleitfähigkeit und führt deshalb zu höheren Temperaturen im Kontakt Reibring - Belag. Deshalb werden mitunter solchen Belägen zur Verbesserung der Wärmeleitfähigkeit auch metallische Komponenten beigemischt. Offensichtlich mit mehr oder weniger Erfolg. Von daher bin ich persönlich auch an Erfahrungen zum Hawk Performance Ceramic Belag interessiert.
Im Vergleich zu Keramik-Belägen handelt es sich bei Sport-Belägen um semi-metallische bzw. bei Motorsport-Belägen meist um gesinterte (metallische) Beläge, die beide eine hohe Wärmeleitfähigkeit aufweisen und vor allem auch eine hohe Temperaturbelastung ertragen. Dafür quietschen Sie aber gerne und entwickeln auch mehr Bremsstaub.
Bei Serienfahrzeugen werden meist organische Beläge verwendet, die eine eher geringe Temperaturbelastung zulassen und auch vergleichsweise viel Bremsstaub entwickeln.
Zusammengefasst würde ich festhalten, dass Keramik-Beläge aufgrund der geringen Staubentwicklung zwar für den Normalfahrer eine interessante Alternative sein können, für hohe Belastungen, wie insbesondere auf dem Track, aber nicht geeignet sind. Nicht zuletzt schließt Ate für die eigenen Ceramic-Beläge eine Eignung für den Track aus.
Generell kann man auch festhalten, dass selbst Sport- und Motorsport-Beläge auf dem Track meist trotzdem noch in Verbindung mit einer separaten Bremsenkühlung gefahren werden. Sicher nicht ohne Grund. Beim Bremsen dreht sich halt alles um eine ertragbare Temperaturbelastung von Reibring und Belag.
Das subjektive Bremsgefühl hilft hier sicherlich nicht weiter. Was der eine als "harte" Bremsung empfindet, wird ein anderer als bestenfalls "mittlere" Bremsung verstehen. Objektiv liegt eine harte Bremsung dann vor, wenn man in das ABS bremst. Das wird im normalen Straßenverkehr aber wohl die Ausnahme sein und bleiben.
Die Kombination Girodisc Reibring mit Pagid RSL 29 scheint hier wohl das "sorglos" Paket zu sein. Leider nicht billig und wohl auch ohne Eintragung. Von daher bleibt die Suche nach funktionierenden Alternativen für den speziellen (eigenen) Anwendungsfall interessant.
Gruß
Stefan